Social Entrepreneurship: Wie es anfing, wo wir stehen und wie es weitergeht

Social Entrepreneurship, wem sagt das was? Ihr Ziel ist es einen sozialen Mehrwert zu schaffen. Dabei gehen sie mit innovativem Unternehmergeist an gesellschaftliche Probleme heran. Die Idee des Unternehmensmodells ist mehr als 150 Jahre alt und wächst heute durch Neugründungen und Startups, die positive Lösungen in der Gesellschaft etablieren wollen. Obwohl Social Entrepreneurship eher noch ein Nischenphänomen in Deutschland ist, das seinen Platz in der Politik und Wirtschaft sucht, entsteht ein eigenes Netzwerk und viele neue Arbeitsmodelle.
von Regina Rohland, 15. November 2016 um 11:14

Social Entrepreneurship: Guter Wille mit Wirtschaftssinn

Social Entrepreneure widmen sich bisher nicht ausreichend gelösten gesellschaftlichen Aufgaben, indem sie einen sozialen Mehrwert produzieren. Dabei geht es nicht darum den eigenen Gewinn, sondern den gesellschaftlichen Nutzen zu steigern. Statt die erzielten Gewinne an kommerzielle Investoren auszuschütten, werden sie für den Ausbau des Unternehmens und die Projekte genutzt. Häufig wird Social Entrepreneurship dem Dritten Sektor zugeordnet und gilt damit weder als freier, profitorientierter Markt noch wird es zum Staatssektor gezählt. Gebiete, auf denen sich Sozialunternehmer engagiert, sind unter anderem Bildung, Umweltschutz, Armutsbekämpfung, Inklusion benachteiligter Gruppen oder Menschenrechte.

Social Entrepreneurships werden oft als Non-Profit-Organisationen, Stiftungen und eingetragene Vereine, aber auch als soziale Unternehmen geführt. Die Rechtsformen der Unternehmen sind beispielsweise die gGmbH oder die gAG (das g steht für gemeinnützig). In der Regel finanzieren sie sich aus öffentlichen und privaten Mitteln, beispielsweise über Spenden und Förderungen. Einige nehmen auch Mezzanine-Finanzierungen in Anspruch, eine Mischform aus Fremd- und Eigenkapital. Unterstützung und finanzielle Entlastung erhalten Organisationen im Dritten Sektor und Sozialunternehmen zudem oft durch Freiwilligenengagement.

Muhammad Yunus: Mit ihm fing alles an?

Sozialunternehmer gab es schon früher. Henri Dunant zum Beispiel kann sicher als Social Entrepreneur gesehen werden. Berührt durch das Leiden verwundeter Soldaten, die in der Schlacht von Solferino 1859 hilflos auf dem Schlachtfeld liegen blieben, gründete er 1863 mit vier weiteren Bürgern das Internationale Komitee der Hilfsgesellschaften für die Verwundetenpflege. Seit 1876 und bis heute bekannt unter Das Internationale Komitee vom Roten Kreuz.

Heute als Vorreiter für Social Entrepreneurship ist der Wirtschaftswissenschaftler und Banker Muhammad Yunus bekannt. 1983 gründete er in Bangladesch die Grameen-Bank, die zu günstigen Konditionen Kleinkredite an Personen vergibt die üblicherweise, ohne die von Banken geforderten Sicherheiten, als nicht-kreditwürdig eingestuft werden. Mit den Darlehen werden Kleinstunternehmen gefördert, die den Menschen ein angemessenes Einkommen ermöglichen. 2006 erhielt Yunus für seinen fairen Unternehmergeist den Friedensnobelpreis und machte die Idee des Social Entrepreneurships international bekannter.

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Der Begriff Social Entrepreneuership selbst geht auf Bill (William) Drayton zurück, der selbst Unternehmer ist und bereits 1980 erstmals den Begriff Social Entrepreneur verwendete, »Social entrepreneurs are individuals with innovative solutions to society´s most pressing social problems.«. Drayton gründete 1981 Ashoka, eine us-amerikanische Non-Profit-Organisation die Sozialunternehmertum fördert. Damit prägte er die Grundidee, dass Social Entrepreneurship durch einen sozialen Mehrwert auszeichnet.

Social Entrepreneurship: Unternehmensmodell in der Findungsphase?

Mittlerweile existiert eine Fülle von Definitionen, die sich teils deutlich unterscheiden. Die Europäische Kommission schreibt Sozialunternehmen drei wesentliche Eigenschaften zu:

  1. die Orientierung der unternehmerischen Tätigkeiten an einem sozial oder gesellschaftlich gemeinnützigen Ziel, was oft mit sozialen Innovationen verbunden ist
  2. über festgelegte Regeln wird sichergestellt, dass erzielte Gewinne größtenteils in diese sozialen Ziele investiert werden
  3. sind sie in Rechtsformen organisiert, die eine verantwortliche und transparente Verwaltung der Organisation ermöglichen, die auf Prinzipien der Mitbestimmung oder Mitarbeiterbeteiligung basieren oder auf soziale Gerechtigkeit ausgerichtet sind.

Versteht man Social Entrepreneurship im engeren Sinne, treffen alle genannten Kriterien zu.

Innovationen liegt zunächst im Unternehmergeist

Oft wird Social Entrepreneurship mit sozialen Innovationen in Verbindungen gebracht. Das muss aber nicht heißen, das Rad neu zu erfinden. Der Grad einer Innovation lässt sich selten genau messen und definieren. Der innovative Charakter von Social Entrepreneurship liegt vor allem schon in der Art und Weise, wie das Unternehmen oder die Organisation geführt wird. Um soziale Ziele zu erreichen werden unternehmerische Strategien angewendet, nicht um den eigenen Gewinn, sondern eben den sozialen Mehrwert zu maximieren. Dabei müssen in der Unternehmensführung und der Umsetzung des Engagements immer wieder neue Lösungen gefunden werden. Die Innovativität von Social Entrepreneurship wird oft als Courage, Tatendrang und unternehmerisches Denken bei deren Umsetzung definiert.

Zugleich enthalten viele der Produkte und Dienstleistungen die von Social Entrepreneurs auf den Markt gebracht werden selbst eine Innovation. Auch findet man innovative Ansätze in der Nutzung von Ressourcen oder der Vermarktung. Es sind nicht nur junge Startups die sich als Sozialunternehmen hervorheben. Besonders im sozialstaatlichen Wohlfahrtsbereich gehen viele soziale Innovationen auch von etablierten Organisationen aus. Hier spricht man von Social Intrapreneurship.

Erfolgreiche Social Entrepreneure: Mehr als schwarze Zahlen

Den Erfolg von Social Entrepreneurship zu messen ist dahingehend schwierig, da sie eben nicht nur auf schwarze Zahlen, sondern auf einen gemeinnützigen Mehrwert hin wirtschaften. Dieser lässt sich oft nicht eindeutig messen. Man spricht hier von der Skalierbarkeit eines Sozialunternehmens, d.h. die Erfolgsmessung und Wirkungskontrolle der für das Gemeinwohl umgesetzten Vorhaben. Der Ansatz für die Wirkungsmessung ist das zielgesetzte gesellschaftliche Problem. Unter Skalierbarkeit wird der größtmögliche Einsatz von Lösungsmodellen verstanden, die zu einem spürbaren Systemwandel führen.

Hier besteht auch eine Abgrenzung zum Social Business. Dies bewegt sich in Märkten, in denen Produkte und Preise gegeneinander eingetauscht werden. An den Umsatzzahlen lässt sich der Erfolg des Social Business messen. Der von Social Entrepreneurship erzielte Erfolg liegt in der sozialen Wirkung, die nur schwer gemessen werden kann. Denn der gesellschaftliche Mehrwert lässt sich nicht in Preisen und Umsatzzahlen ausdrücken. Was ist zum Beispiel ein offenes Bildungsangebot für benachteiligte Jugendliche wert?

In dem bestehenden wirtschaftlichen und politischen Systemen lässt sich das Phänomen Social Entrepreneurship daher nur schwer einordnen. Ein Grund dafür ist ebenfalls das Problem der Definition und Abgrenzung zu anderen Unternehmens- und Organisationsformen. Dadurch entstehen auch Hindernisse und Herausforderungen für Social Entrepreneure im politischen und gesellschaftlichen Verständnis.

Für Social Entrepreneure hat sich ein eigenes Aktionsfeld herausgebildet, das versucht diese Lücken zu schließen und das Sozialunternehmertum zu fördern. Diese wichtigen Akteure, Förderer und Berater bauen an einem eigenen Netzwerk, das für die Entwicklung eines Sozialunternehmens viele Möglichkeiten bieten und den Social Entrepreneurs Türen öffnen kann. Das große Ziel ist ein neues wirtschaftliches Denken zu etablieren, dass Lösungen für Probleme der Öffentlichkeit in den Fokus stellt.

Wichtige Akteure, mehr Infos und Unterstützung:

Stiftung Entrepreneurship

#Gründung #Weiterbildung #Netzwerk #Information #Wettbewerbe

Bietet ein umfangreiches Online-Angebot für Entrepreneure an, um Gründer zu unterstützen und zu begleiten. Wissensaustausch und Inspiration finden Gründer im Netzwerk und bei verschiedenen Workshops und Veranstaltungen.

Ashoka

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Von Bill (William) Drayton 1980 gegründete Organisation mit Hauptsitz in Washington und gemeinnützigen Tochtergesellschaften weltweit. Mit einem bis zu dreijährigen Lebenshaltungsstipendium haben Sozialunternehmer die Möglichkeit, sich vollständig ihren Innovationen zu widmen. Zusätzlich gefördert werden Fellows mit einer Beratung zur Finanzierung und der Vermittlung von Kontakten. Der erste Fellow in Deutschland wurde 2005 ausgewählt.

Schwab Foundation

#Beratung #Gründung #Netzwerk #Preis

Gründer ist Klaus Schwab, ebenfalls Gründer des Davoser Weltwirtschaftsforums. Die Schwab Foundation unterstützt weltweit Sozialunternehmer, in Deutschland zeichnet sie seit 2006 den Social Entrepreneur des Jahres aus.

Bertelsmann Stiftung

#Informationen #Netzwerk #Weiterbildung #Beratung 

Bertelsmann ist vor allem eine operative Stiftung, d.h. sie fördert ausschließlich Projekte, die von der Stiftung selbst initiiert, konzipiert und auch in der Umsetzung begleitet werden.

BonVenture

#Finanzierung #Beratung #Netzwerk 

Unterstützt seit 2003 den Aufbau von Unternehmungen in den Bereichen soziale Dienstleistungen und Produkte, Ökologie und gesellschaftliche Aufklärung und Entwicklung. Soziales Risikokapital und Venture Philanthropy stellen zwei Formen der Anschubfinanzierung, die zusätzlich mit Beratung und Begleitung gefördert wird.

ANANDA - Social Venture Fund

#Gründung #Beratung #Netzwerk #Informationen 

Investiert in Sozialunternehmen, die bereits auf dem Markt aktiv sind und wachsen wollen. Zusätzliche Kriterien sind u.a. die soziale Wirkung, die finanzielle Tragfähigkeit und die Skalierbarkeit des Geschäftsmodells.

Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW)

#Finanzierung #Förderung #Beratung 

Das Programm Finanzierung von Sozialunternehmen richtet sich an Unternehmen, die mit einem innovativen Geschäftsmodell ein gesellschaftliches Problem lösen wollen und dabei das gezielt das Gemeinwohl in den Mittelpunkt stellen. Vergeben werden Kredite oder Beteiligungsformen.

Skoll Foundation

#Netzwerk #Informationen #Beratung

Zählt zu den bedeutendsten Stiftungen im Bereich Social Entrepreneuership und organisiert unter anderem das internationale Skoll World Forum on Social Entrepreneuership.

Tengelmann Social Ventures GmbH

#Gründung #Beratung #Finanzierung    

Gefördert werden Social Entrepreneurs und Social Business in der Startphase, die sich im Bereich Bildung, Behinderung und Verbesserung von Lebensqualität stark machen.

Impact Hub

#Beratung #Netzwerk #Informationen  

Impact Hub will die Entwicklung sozial ausgerichteten Wirtschaftens vorantreiben. Dazu bietet es viele Möglichkeiten der Zusammenarbeit und des Austauschs in einem weltweiten Netzwerk. In verschiedenen Städten werden Veranstaltungen, Lern- und Arbeitsräume, Innovation-Labs mit Raum für Inspirationen von einer aktiven Community belebt.

Entrepreneurs Pledge

#Förderung #Beratung #Netzwerk

Besonders interessant für Unternehmen, die wachsen wollen oder groß anfangen. Mitmachen kann wer min. 10 Mitarbeiter oder eine Erfolgsbilanz von min. 1 Mio. Umsatz nachweisen kann. Das Ziel der Zusammenarbeit ist es die Bedingungen aller Beteiligten, einschließlich der Umwelt zu verbessern und einen nachhaltigen Ansatz aufzubauen.

Social Impact

#Beratung #Förderung #Netzwerk #Informationen

In einem breitgefächerten Netzwerk arbeitet Social Impact daran mit Gründern soziale Innovationen voranzubringen. Neben Events und Arbeitsräumen in verschiedenen Social Impact Labs, stehen die Gründerberatung und der Austausch mit Experten im Vordergrund.

Social Entrepreneurship Akademie

#Informationen #Beratung #Weiterbildung #Förderung

Die Social Entrepreneurship Akademie ist ein interdisziplinäres Projekt, welches eine Zusammenarbeit von allen Münchern Universitäten darstellt. Sie wollen Student/innen aus allen Bereichen - von Ingenieuren bis hin zu Ärzten und BWLer - für das Thema Sozialunternehmertum sensibilisieren und begeistern.

Social Reporting Standard (SRS): Die Studie behandelt Fragen zur Transparenz und Wirkung sozialer Dienstleistungen und gibt einen Einblick in die verwendeten Ressourcen, stattgefundenen Leistungen und erzielte gesellschaftliche Veränderung. Der Berichtsstandard ist ein offenes Projekt, an dessen weiterer Entwicklung soziale Organisationen eingeladen sind.

Quellen:

Prof. Dr. Günter Faltin, Social Entrepreneurship – Deinitionen, Inhalte, Perspektiven, erschienen in: Social Entrepreneurship - Unternehmerische Ideen für eine bessere Gesellschaft, Hrsg. Braun / French, Rostock, 2008.

Thomas Scheuerle, Gunnar Glänzel, Rüdiger Knust, Volker Then, Social Entrepreneurship in Deutschland – Potentiale und Wachstumsproblematiken, CSI Centrum für soziale Investitionen und Innovationen, Universität Heidelberg, Studie im Auftrag der KfW, Heidelberg, 2013.

Ann-Kristin Achleitner, Peter Heister, Erwin Stahl, Social Entrepreneurship – Ein Überblick, erschienen in: Finanzierung von Sozialunternehmern, Hrsg. A.-K. Achleitner, R. Pöllath & E. Stahl, Stuttgart, Schäffer Poeschel, 2007.

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