Finde den Job mit Sinn: Werde, der Du bist.

Stundenlang auf den Bildschirm starren und Stellenanzeige für Stellenanzeige lesen: Kann ich, kann ich nicht, mag ich nicht, will ich unbedingt, ist das zu weit weg? So fängt meistens die Suche nach einem neuen Job an. Wer auf Jobsuche geht, egal aus welchen Gründen, tut gut daran, zuerst sich selbst besser kennenzulernen. Und Zufriedenheit im Leben ist ein rundes Gesamtpaket und hängt nicht allein vom richtigen Job ab. Mit dem Weg der Philosophischen Selbsterkenntnis lernt man, die Welt aktiv zum Positiven zu gestalten.

von Regina Rohland, 20. November 2022 um 10:05 (Update)

Auf der Suche nach einem Job mit Sinn: Was macht eigentlich Sinn?

Sinn bedeutet zunächst einfach nur, dass die Sache einen Zweck in sich trägt. Der Begriff Zweck wiederum bedeutet nichts anderes, als das etwas einen Nutzen hat oder auch das Erkennen und Verstehen der passenden Funktion von etwas. Der Zweck einer Arbeit ist auf den ersten Blick ganz klar der Lohnerwerb. Dabei liegt die Suche nach mehr Sinn bei der Arbeit, als nur Broterwerb, immer mehr Menschen am Herzen.

Für das Leben ist der größte Sinn die Zufriedenheit. Dazu sollte auch der Job mit Sinn passen. Und zu dem Menschen, der man ist. Dabei denken wir erschreckend selten wirklich über unser Selbst nach. Was möchte ich mit meinem Leben machen? Mit was bin ich glücklich? Zufriedenheit finden wir darin, wie wir unser Leben gestalten. Der Job mit Sinn ist nur ein Teil davon. Und oft stößt man auf äußere Widerstände. So scheint es. Ein gutes Leben und die Jobsuche können aber nur gelingen, wenn man sich seiner selbst sicher ist. Die Frage nach dem Sinn und der Zufriedenheit ist immer individuell zu beantworten. Ein Weg sich selbst näher zu kommen, ist die Philosophische Selbsterkenntnis.

Erkenne dich selbst: Eine philosophische Reise

Die Praxis der Philosophischen Selbsterkenntnis, als Schlüssel zum guten Leben, hat in vielen verschiedenen Kulturen ihre Wurzeln: der altindischen Philosophie, dem Buddhismus und auch der Philosophie der Antike.

»Gnothi Seautón« - »Erkenne dich selbst« - Orakel von Delphi im Tempel des Apollon, Weissagungsstätte des antiken Griechenlands

Der Weg zur Selbsterkenntnis beginnt mit Achtsamkeit. Nicht im Sinne von »sich etwas Gutes tun«, sondern achtsam seinem Selbst gegenüber zu sein. Ein Bewusstsein für das eigene Innere zu entwickeln. Das eigene Verhalten in verschiedenen Situationen zu beobachten ist ein guter Anfang. Die Reaktionen der anderen helfen nicht nur dabei mehr darüber zu erfahren, wie man auch auf andere wirkt. Die Kunst ist es, den eigenen Gefühlen auf den Grund zu gehen. In welchen Situationen fühle ich mich zum Beispiel unwohl? Wann fühle ich mich missverstanden? Was fällt mir leicht auszusprechen? Das eigene Verhalten beobachten und zu hinterfragen bringt die ersten Erkenntnisse über das, was in einem selbst vorgeht. Wie empfinde ich die Welt und mich in ihr?

»Selbsterkenntnis ist nicht nur, sich dessen gewahr zu werden, was wir tun, sondern sich dessen gewahr zu werden, was uns unbewusst ist und das wir nicht kennen.« - Erich Fromm, Von der Kunst des Zuhörens. Therapeutische Aspekte der Psychoanalyse

Um den Gründen für das eigene Verhalten auf die Schliche zu kommen, nutzt es einen Blick in die eigene Biografie zu werfen. Das Selbst ist keineswegs frei von äußeren Einflüssen und kann auch so nie gedacht werden. Aber wir können diese Einflüsse erforschen und erkennen, wie sie in unserem Inneren verankert sind. An Prägungen und Ängsten aus der Vergangenheit können wir manchmal erkennen, warum wir uns so verhalten, wie wir es vielleicht selbst nicht wollen. Diese Erkenntnisse führen einen dazu, wie sich das eigene Leben zu dem geformt hat, was es jetzt ist. Auch schöne Erinnerungen, die uns immer wieder vor Augen erscheinen, verraten uns, was uns wirklich wichtig ist.

Selbsterkenntnis ist eine kritische Selbstreflexion, die schonungslose Ehrlichkeit sich selbst gegenüber verlangt. Dabei kann es schwierig sein anzuerkennen, was einem an dem Selbst vielleicht nicht gefällt. Auch fällt einem schnell auf, wie viele andere Stimmen noch ständig Einfluss auf uns nehmen. Es ist nicht die Außenwelt auszublenden, sondern die eigene Innenwelt zu entdecken und zu erkennen, in welchem Verhältnis man zu den äußeren Einflüssen steht. Was ärgert mich an dem Verhalten meiner Nachbar:innen? Und in welchen kleinen Moment schlägt mein Herz höher? Hinterfragt man die eigenen Wertvorstellungen, zeigt sich worauf es einem wirklich im Leben ankommt. Aus der Erkenntnis der inneren Werte entdeckt man seine wichtigsten Bedürfnisse und Prioritäten. Die Philosophische Selbsterkenntnis ist dabei sozusagen der innere Dialog mit sich selbst, um den eigenen Charakter zu erforschen, seine Meinung, seine Überzeugungen, sein Wissen und auch seine Stärken und Schwächen.

Wenn man anfängt, über sich selbst nachzudenken, tut man sich damit oft zunächst schwer. Eine Anleitung zur Selbsterkenntnis gibt es per se nicht. Schließlich muss jeder sein individuelles Selbst ergründen. Sich immer wieder zu prüfen, führt einen aber Stück für Stück zu den immer besseren Fragen und neuen Erkenntnissen. Die Selbsterkenntnis erfordert Zeit und Ruhe. Für die Philosophen der Antike gilt sie als Königsdisziplin. Der Schlüssel zu ihr ist die Askese im eigentlichen Sinne, die Übung. Regelmäßig Bilanz zu ziehen zum eigenen Verhalten und dem Befinden ist ein erster Schritt. Hilfreich kann es sein Tagebuch zu führen: jeden Tag Revue passieren zu lassen und zu erspüren was eigentlich mit einem passiert, wenn man durch seine Alltagswelt gleitet. 

Weg zur Selbsterkenntnis:

  • Achtsamkeit: Gefühlen auf den Grund gehen, das eigene Verhalten beobachten, Wertvorstellungen hinterfragen
  • Aufrichtigkeit: Ehrlich sich selbst gegenüber sein und unbewusste Prägungen in der persönlichen Lebensgeschichte sowie störende Einflüsse in einem selbst lokalisieren
  • Regelmäßig Bilanz ziehen: Zum eigenen Verhalten und Befinden

Worauf es ankommt: Was kann ich tun?

Der Sinn der Selbsterkenntnis ist es, eine authentische, autonome Persönlichkeit aus sich selbst zu formen. Die Probleme und Fragen, die jeder mit sich trägt, lösen sich dann durch das Auseinandersetzen mit der eigenen inneren Persönlichkeit. Die Erkenntnis der eigenen "Innenwelt" nutzt als Zugang zur Problemlösung in der "Außenwelt".

Die höchste Erkenntnis besteht darin, dass wir die Wirklichkeit beeinflussen können. Wer sich selbst kennt, versteht auch andere in ihrem Denken, Fühlen und Handeln besser und kann so Beziehung intensiver mitgestalten. Man kann nicht nur besser auf sie eingehen, sondern man versteht sich selbst in den Beziehungen besser. Wer sich selbst besser kennt, kann in seinem Leben als Person freier entscheiden und so auch sein Umfeld bewusst gestalten. Und dann stellen sich neue Fragen: Was kann ich für andere tun?

Die Selbsterkenntnis führt einen dazu die eigene Persönlichkeit weiterzuentwickeln. Sich seiner Fähigkeiten, Werte und Vorstellungen bewusst zu sein, ermöglicht es einem gezielt Entscheidungen zu treffen und Prioritäten zu setzen. Denn zwischen all dem, was wir tun können und auch erfüllen müssen, vergisst man leicht, was man eigentlich selbst wollte. Für sich den richtigen Weg im Beruf und Zufriedenheit im Leben zu finden, erfordert eben auch, sein Selbst abzugrenzen. Um für sich einen Job mit Sinn zu finden, lohnt es sich einen Blick mehr auf sich selbst zu werfen.

Jobsuche mal anders herum

Viele tragen den Wunsch in sich, mit ihrer Arbeit etwas Gutes zu tun. Also die Welt aktiv mitzugestalten und Positives zu bewirken. Der Job mit Sinn soll damit auch für einen selbst erfüllend sein und zufrieden machen. Es muss allerdings nicht eine Tätigkeit bei einer NGO oder in der Energiewende sein. Wenn dieser nicht zum individuellen Charakter und den eigenen Fähigkeiten passt, wird man schnell unglücklich.

Die Jobsuche beginnt oft mit dem Durchforsten von Jobbörsen und der Analyse des Arbeitsmarktes. Was wird gerade wo und von wem gebraucht? Für eine neue Perspektive, in der auch das Selbst Platz findet, ist es hilfreich die Fragen umzudrehen. Was habe ich bisher gemacht? Was habe ich anzubieten?

Fragen, die helfen können:

  • Welche Kenntnisse und Fähigkeiten habe ich erworben?
  • Mit wem möchte ich zusammenarbeiten?
  • Welche Umgebung und Bedingungen brauche ich, damit Höchstleistungen zeigen kann?
  • Was hat mir an meiner letzten Tätigkeit nicht gefallen?
  • Und was hat mir gefallen?
  • Worin war ich gut?
  • Was ist mehr eher schwer gefallen? Und warum?

Es gibt viele Übungen, um die eigenen Fähigkeiten, Stärken und neue Möglichkeiten für die Jobwahl aufzudecken. Eine davon:

Auf 10 Blätter Papier schreibt man eine einzige Frage: Wer bin ich?

Auf jedes Blatt schreibt man nur eine einzige, kurze Antwort. Danach geht man die Blätter durch und betrachtet seine Antworten genauer. Warum ist einem diese Antwort eingefallen und warum ist sie einem wichtig? Man kann sich dazu Sätze oder Stichpunkte auf den einzelnen Blättern notieren. Die Antworten ordnet man nun nach Priorität. So liegt das, was einem selbst am wichtigsten ist zuoberst. Was an der eigenen Identität ist weniger wichtig? Überprüft, ob es unter den unterschiedlichen Antworten Themen gibt, die sich wiederholen oder sich kombinieren lassen. Gibt es einen gemeinsam Nenner in den Antworten? Das was zusammen findet wird auf ein weiteres Blatt notiert. Dieses Bild von sich selbst zu zeichnen, ist ein erster Ansatz für eine Jobwahl oder Karriereplanung, die auf dem eigenen Wesen, Wissen und Kenntnissen beruht.

Auch wenn der Job, den man gerade macht nicht (mehr) gefällt, tut es gut zu ergründen woran das liegt. Sich zu fragen, warum mache ich diesen Job (dennoch)?

  1. Ich mache ihn, weil ich nicht untätig sein will. Das Bestreben, vielleicht angelegt in der Biografie, anderen nicht zur Last fallen zu wollen. Der Wunsch nach Unabhängigkeit. Die Freundschaften zu den Kolleg*innen liegen einem sehr am Herzen.
  2. Ich mache den Job, weil ich er mir von Zeit und Einkommen her den Raum gibt, andere Dinge zu tun, die mir wichtig(er) sind.
  3. Ich muss feststellen, dass es mir einfach nicht liegt einen Job zu machen, hinter dem ich nicht als Persönlichkeit stehe, einen Job, in dem ich keinen Sinn sehe. Muss ich da an meiner Kompromissbereitschaft arbeiten oder mich mehr anstrengen und kreativer werden, um den passenden Job zu bekommen?

Der Mensch ist mehr als seine Arbeit

Gutes tun kann man nicht nur in der Arbeit. Das Beste für einen selbst ist ein Job, der zu einem passt und mit dem man zufrieden ist. Dazu führen die Fragen nach den Kenntnissen, Erfahrungen, übertragbaren Fähigkeiten und notwendigen Bedingungen, die es braucht, damit man sich im Job wohlfühlt. Andere Bedürfnisse und Werte sollten mit ihm in Einklang gebracht werden, so dass das Gesamtbild stimmt. Und die Arbeit an der richtigen Stelle kommt.

 

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